An dich und für dich, Xander, aber auch alle die nach uns kommen, werde ich die Geschichte jener siebenhundert erster Seelen erzählen, die am Vorabend des Eids dem Ruf der silbernen Balmythria folgten und sich den schwarzklingigen Wassern des gnadenlosen Wellenmachers stellten… Auch wenn du vor zehn Jahren durch Verrat von uns genommen wurdest, konnten wir dennoch deine sichere Hand spüren, die unsere Schiffe lenkte, als wir in die Dunkelheit und Zweifel segelten; immer konnten wir deinen klaren Blick voller Hoffnung spüren.
Xander Huorath, du warst der Eidesgeschworene von Balmythria. Du warst unser Anführer, der Anführer der Drachenlords, der uns über die Ozeane in die neue Welt führten.
Deine edle Haltung, dein Mut, Weitsicht und Führung gaben uns ein Beispiel dafür, was es bedeutete, ein Drachenlord zu sein. Die Siedler zu schützen, den Alteingesessenen unsere Werte zu lehren. Du hast stets die Bedeutung der Legenden von Thylea im Auge behalten.
Unsere Expedition wurde von Königen und Königinnen finanziert, da dir eine geheime heilige Mission anvertraut wurde, die von einer ungenannten uralten Macht gegeben wurde. Eine uralte Macht, deren Unterstützung es uns ermöglichte, deine Axt zu erhalten, und die Unterstützung von elf edlen Drachen, an die wir unsere besten Krieger banden.
An ihrer Spitze war der Drache, den du bestiegst, die silberne Balmythria, eben so edlen Geistes wie du selbst. Mein lieber Cosmo erreichte um deinen Tod das Erwachsenenalter und wurde zu ihrem zweiten Eidesgeschworenen gewählt. Wir waren sehr stolz auf diese Ehre. Als Balmythria im Kampf gegen die Titanen starb, segnete sie uns mit dem Erscheinen der Fünf, die uns in einer so verzweifelten Zeit der Not zu Hilfe kamen.
An ihrer Seite befand sich zu der Zeit Sybolkorax, der bronzene Drache, den ich bestieg. Verrückt vor Trauer nach dem Tod seines Partners, verloren wir ihn aber bald, er war nie mehr derselbe.
Diese Beiden kamen mit ihrem bronzenen Nachwuchs, die alle nach Balmythrias Tod ein schicksalhaftes Ende fanden:
Tysophale, Eidesgeschworene unseres Meistertaktikers Telamok Arkelander, der in den letzten Tagen des Krieges während des Überfalls auf Praxys starb.
Raspytrion, Eidesgeschworene unseres wunderschönen Adonis Neurdagon, der in den letzten Tagen des Krieges ebenfalls während eines Überfalls auf Praxys von uns ging.
Arkyrania, Eidesgeschworene unseres Generals Estor Arkelander, der später mit der legendären Ultros verschwand, als wir sie beide wirklich am Meisten brauchten.
Arystonar, Eidesgeschworene des geheimnisvollen Jason Ventrak, der uns kurz nach dem Verlust seines Drachen verließ und in seinen Verhandlungen mit den Schicksalen verloren ging.
Zusammen mit dieser Familie sammelten wir weitere verbündete Drachen:
Hexia, die Grüne, Eidesgeschworene von Ochos Arkelander. Sie wurde von Balmythria adoptiert, nachdem ihre böse Mutter von Sybolkorax getötet wurde. Einige Jahre nach Ochos’ Tod durch Sydons Hand, nach Balmythrias Tod, verließ Hexia uns.
Hezzebal, die Messingfarbene, Eidesgeschworene deines Sohnes Gregor Huorath, dem jungen Vater der gesegneten Isadore, die ihn nie kennenlernte. Gregor und sein Drache verschwanden während einer Quest, die Estor ihnen gegeben hatte, über dem vergessenen Meer.
Orichalkos, die Messingfarbene, Eidesgeschworene des kühnen Nikandros Caliros. Doch als Nikandros im Kampf gegen Sydon getötet wurde, wurde Orichalkos verrückt und nahm seine Leiche mit, um davonzufliegen, ohne jemals wieder gesehen zu werden.
Chaeristis, die Kupferfarbene, Eidesgeschworene der lieben Alina Davanos. Beide wurden während eines bitteren Kampfes gegen Sydon getötet.
Zarmulax, der Rote, geritten von Karpathos Aresianos. Karpathos hat uns verraten, er hat Damons Caduceus gestohlen und es benutzt, um dich, unseren besten Krieger, unseren geliebten Anführer, zu töten. Und sein Drache folgte ihm. Sie gründeten ihr eigenes Königreich in Aresia, aber Zeit und die Königinnen von Aresia brachten uns Rache.
Ich werde dir auch erzählen, was ich über Damon, den Erzmagier, weiß. Er trank Wissen wie andere Wein und seine Augen waren wie Portale in die Tiefen der Zeit. Er wusste Dinge, die kein Sterblicher lernen sollte, und dennoch schien er sich nie am Erwerb von Wissen zu berauschen. Damon hat zu Lebzeiten keine Bindung zu einem Drachen hergestellt. Stattdessen widmete er seine Zeit und Energie dem Studium der arkane Künste und gründete die Akademie in Mytros.
Unsere ersten Jahre waren erfolgreich. Wir trafen auf die Einheimischen, die uns zu ihren Königen und Königinnen machten, und wir schützten sie vor den schikanierenden Eingeborenen. Ihre Dörfer wurden zu Städten und erhielten Befestigungsanlagen. Wir errichteten Bibliotheken und lehrten sie allerlei Dinge.
Die Bestien von Thylea sind nicht wie diejenigen anderer Länder. Eines Tages verloren wir zwanzig Männer an ein großes Wildschwein mit Hauern wie Speere. Es sprach zu uns von Tod und Gerechtigkeit, während es unsere Kameraden verschlang. Es gab immer Gerüchte von einem tiefen Schrecken, der in den Tiefen der Ozeane lauerte, etwas noch älteres und furchterregenderes als der Krake. Du glaubtest daran, doch du legtest schon immer mehr Wert auf die einheimischen Legenden als ich.
Bald war Xanderia ein großes Gebiet, mit vielen Siedlungen, von denen einige von Drachenlords wie dir, Telamok und Estor geführt wurden. Dennoch war die Lage an den Grenzen angespannt. Unsere Grenzpatrouillen trafen auf verschiedene Nomadenstämme der Zentauren, verstreute feenartige Waldvölker aus dem Alten Wald unter der Dryade Delphia und einige Minotaurendörfer. Doch die Hauptzivilisation der Eingeborenen war das Gigantenreich. Unsere besten Generäle, Telamok und Estor, betrachteten es als die größte Gefahr für unsere Königreiche und schmiedeten Pläne das zu ändern.
10 Jahre nach unserer Ankunft, als sich eine Armee der Giganten und ihrer Verbündeten nahe unserer Hafenstadt Xanderia versammelte, war es an der Zeit: Der Krieg begann in vollem Ausmaß. Mit unseren Drachen konnten die Giganten unserer mächtigen Armee nicht standhalten und wir schlugen sie nieder und verfolgten sie. Wir gewannen Schlacht um Schlacht und zerstörten ihr Imperium in wenigen Jahren, verwüsteten ihre riesigen Städte und drängten die Grenzen Xanderias schnell voran.
Estors Methoden waren effizient, aber genau so brutal. Er nutzte die besiegte Dryadenkönigin der Einheimischen als Mast unseres neuen Flaggschiffs und verfolgte unermüdlich die fliehenden Giganten, sogar die Alten und Kinder.
Sein Drache konnte nicht mehr länger bei ihm bleiben und verließ ihn. Doch ihm war das egal, er führte sein neues Schiff als Kapitän an und plünderte die Giganteninseln, um seine Aufgabe fortzusetzen. Die einheimischen und verfluchten Völker Thyleas sind furchterregende Feinde, aber diejenigen, die sich gegen die Titanen auf unsere Seite gestellt haben, waren dennoch wertvolle Verbündete.
Ich kann es nicht begreifen, mein eigenes Volk zu verraten, wie sie es getan haben, aber es ist besser, ihre Motive nicht zu hinterfragen. Sie haben sich dafür entschieden, an unserer Seite zu kämpfen; das ist alles, was für dich zählte, und für mich war das gut genug.
Nach diesen anfänglichen Kriegsjahren riefen die Einheimischen ihre Götter um Hilfe an. Sydon, Herr der Stürme, antwortete dem Ruf und kam selbst, um ihre Streitkräfte anzuführen.
Ich erinnere mich noch immer an die ruhigen Stunden vor unserer ersten Schlacht gegen die Armeen Sydons. Wir waren nicht auf den Zorn des Sturmtitanen vorbereitet. Nichts war furchterregender, als Sydon auf dem Schlachtfeld in seiner ganzen Wut zu erleben. Es war, als würde man in einem Sturm gefangen sein, der dich mit eisernem Willen zu töten wünschte, mit ohrenbetäubendem Donner und Blitz, der ganze Säulen von Soldaten verdampfen ließ.
Ich würde lieber allein einer Armee von Zentauren gegenübertreten, als eine solche Zerstörung erneut zu erleben. Unsere am Boden gebundenen Drachen waren gegen seine Macht nicht sonderlich hilfreich, und wir verloren unsere ersten Schlachten, unsere ersten Drachen und Drachenlords: Orichalkos, Chaeristis, Ochos, Alina, Nikandros…
Noch schlimmer war, dass Karpathos uns während einer Schlacht verriet, indem er den von Damon geschaffenen Caduceus benutzte und dich tötete. Manche sagten, dass ein weiterer ihrer Götter, eine gewisse Lutheria, Sydons Zwillingschwester, einen Pakt mit ihm geschlossen habe. Karpathos verließ mit seinem Drachen die Schlacht, um sein eigenes Königreich Aresia zu führen.
Das Blatt der Schlacht wendete sich. Geschwächt und ohne deine Führung sah die Zukunft düster aus. Wir versuchten unser Bestes mit meinem lieben Cosmo und beschlossen, uns an deine Ratschläge zu halten, doch auch Telamok versuchte die Führung zu übernehmen, was die Dinge kompliziert machte. In Wahrheit war es Balmythria allein, die uns für mehrere Jahre zusammenhielt.
Dann entschlossen sich unsere Drachen, eine schwierige Schlacht zu führen. Versi berichtete uns, dass in ihrem letzten Kampf gegen die Titanen Balmythria sich rücksichtslos gegen sie warf, zerrte und kratzte, selbst nachdem sie zahlreiche tödliche Verletzungen erlitten hatte. In diesem Moment gelang es ihr, mit ihrem letzten Atemzug die himmlischen Wesen herbeizurufen, die das Orakel von Thylea vorausgesagt hatte. Wir hatten unsere letzten Drachen verloren, aber nun hatten wir unsere eigenen, neuen Götter, die uns zu Hilfe kamen.
Ihre Hilfe ermöglichte es uns, erneut das Blatt der Schlacht zu wenden. Die Göttin Mytros ließ uns beinahe im Alleingang die erste Schlacht gewinnen, während wir nicht anwesend waren, indem sie ihre sterbliche Gestalt opferte. Dann eroberten wir die Länder zurück.
Wir folgten der Führung von Pythor, dem Gott des Kampfes. Er kämpfte unerbittlich gegen Sydon, kehrte sogar nach jedem Tod in den Kampf zurück und wurde durch Vallus’ Weisheit und Magie gestärkt. Kyrah war für die Strategie zuständig, während Volkan uns mächtige Waffen schmiedete.
Ich muss sagen, dass ich anfangs wenig Grund zum Feiern sah, als die Mithril-Vorkommen entdeckt wurden. Erst als ich zum ersten Mal eine Waffe aus dem Material in den Händen hielt, erkannte ich die Genialität von Volkan und seinen zwergischen Schmieden.
Die Titanen hatten den Göttern nichts entgegenzusetzen. Bald waren die Länder unsere und Sydon behielt nur die Kontrolle über das Meer und seine Inseln, während sich Lutheria im verborgenen Nether-Meer verbarg.
Dieser Stillstand markierte den Beginn einer neuen Art des Krieges, basierend auf Raubzügen. In diesen Jahren wurden viele Einheimische und Siedler getötet. Jason diskutierte viel mit Versi und entschied sich, die gefährlichen Schicksale zu treffen, um eine Lösung zu finden. Doch wir sahen ihn nie wieder, Damon bezeichnete ihn letztlich als Verräter. Estor und Telamok gerieten in einen Streit. Ersterer hatte Gregor und Hezzebal einen geheimen Auftrag erteilt, doch auch sie sahen wir nie wieder.
Selbst mit den Göttern auf unserer Seite waren wir ohne unsere Drachen nicht mehr dieselben. Gegen den Rat der Götter und stark dezimiert entschied Telamok, einen verzweifelten Angriff der Drachenlords auf Praxys zu wagen, mit Adonis, Damon und unseren Myrmidonen. In der Zwischenzeit sollte ich unsere Hauptstadt mit einer kleinen Streitmacht bewachen.
Doch der Angriff scheiterte. Letztendlich, als Estor mit dem Ultros zu seinem finalen Angriff gegen die Titanen aufbrach, denke ich, wusste Damon, dass dies das Schicksal unseres Ordens besiegeln würde. Doch ohne dich bei uns, wer konnte ihn aufhalten?
Xander, was hättest du in einem solchen Fall getan? Wir haben ohne dich so viel Einheit und Weisheit verloren.
Ich erkenne jetzt, dass dieser Angriff nur scheitern konnte: Wir waren ohne Estor und seinen Ultros dem Untergang geweiht. Ein weiterer Verräter.
Siedler und Einheimische waren des Krieges überdrüssig. Versi arrangierte erfolgreiche Verhandlungen zwischen Göttern und Titanen, und Damon kehrte mit dem Eid des Friedens zurück, einer solchen Wohltat für uns und das Volk. Wir standen am Rande des Zusammenbruchs.
So viele Leben waren verloren gegangen.
Unsere Drachen, ihre Drachenlords.
Xander, du hast uns nie gesagt: Was sollen wir nun in diesem fremden Land tun, das sich langsam zu unserem eigenen entwickelt?
Vielleicht wird eines Tages unser Orden wieder auferstehen, doch ich werde es in meinem Leben wohl nicht mehr sehen. Es würde Mut, Weitblick und Führung benötigen, die dem von dir selbst gleichkommt.
Ich war nicht in der Lage, die Führung zu übernehmen, stattdessen ließ ich mich von einem Oreaden umgarnen um meine Wut und Trauer über alles zu verdrängen. Ich werde die Zeit, die wir gemeinsam im Paradies verbracht haben, immer schätzen.
Wenn man mit einer Armee die Ozeane überquert, von Tod auf allen Seiten umgeben ist und kein Ende der Reise in Sicht ist, erkennt man bald den Wert der Loyalität. Daran mangelte es uns wohl am Ende am Meisten.
Zumindest hatten wir Rache an Karpathos. Wir betraten das Grab in Erwartung toter Stille. Wie seltsam war es stattdessen, vom Klang klarer Stimmen begrüßt zu werden. Es war unvorstellbar mutig von Königin Calliope, ihre verfluchte Familie in den Gräbern einzusperren.
Wie viele junge Krieger hätten den Mut, eine solche Tat zu vollbringen? Das Volk von Mytros spuckt auf die Namen der Aresischen Königinnen, doch ich habe großen Respekt vor Calliope, die die Willensstärke besaß, sowohl ihre Stadt zu retten als auch den Gott der Schönheit zu stehlen. Narsus war aber ohnehin nicht besonders nützlich.